Europäischer Markenschutz: Das Lego-Urteil des EuG
Von der Frage, was an einer Lego-Figur wichtiger ist, die Funktionalität oder das Aussehen, hing es ab, ob die kleinen gelben Lego-Männchen trotz einer Anfechtungsklage ihren Markenschutz behalten oder nicht. Darüber hatte das Gericht der Europäischen Union (EuG) in erster Instanz am 16. Juni 2015 zu urteilen.
Best-Lock verlangt Löschung des Markenschutzes für Lego-Figuren
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der dänische Hersteller Lego hat das Lego-Männchen mit und ohne Noppe auf dem Kopf im Jahr 2000 als dreidimensionale Gemeinschaftsmarke eintragen und damit markenrechtlich europaweit schützen lassen. Der britische Wettbewerber Best-Lock, der ähnliche Figuren und weiteres Spielzeug herstellt, begehrte die Löschung der Legofiguren aus dem Gemeinschaftsmarkenregister mit der Begründung, dass das Lego-Männchen aus mehreren Gründen nicht die Anforderungen für den Markenschutz erfüllt. Die 3-D-Marke und ihr Schutz als Warenformmarke gehört zu den neueren Markenkategorien, deren Eintragung als Marke in Deutschland erst seit dem Inkrafttreten des Markengesetzes (MarkenG) in der aktuellen Fassung seit 1995 möglich ist und die eine Ausweitung des Markenbegriffs ermöglichen. Eine Schutzmöglichkeit für die Europäische Gemeinschaft besteht seit der Schaffung des EU-weiten Markenschutzes im Jahre 1994. Diese Einwände und das Begehren, die dreidimensionale Gemeinschaftsmarke in Form des Lego-Männchens löschen zu lassen, waren bereits gegenüber dem Europäischen Markenamt (Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) erfolglos geblieben, weshalb Best-Lock Klage beim EU-Gericht einreichte und die Löschung des Markenschutzes der Lego-Figuren verlangte. Seine Klage stützte Best-Lock auf die Argumentation, dass sich die Form der Lego-Figuren aus ihrer technischen Funktion ergebe und dass das Europäische Markenrecht in solchen Fällen den Markenschutz ausschließe. Mit technischer Funktion meinte Best-Lock die Form der Hände, die Löcher an Beinen und Füßen sowie die Noppe am Kopf des Lego-Männchens, die dazu dienen, diese mit anderen Lego-Elementen und Bausteinen zu verbinden.
EuG entscheidet: Lego-Figuren bleiben als Marke geschützt
Die Luxemburger Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Form der Lego-Figuren EU-weit als Marke geschützt bleibt. Damit wiesen sie insgesamt zwei Anfechtungsklagen des britischen Wettbewerbers Best-Lock ab mit der Begründung, dass die Figuren mehr von ihrer menschlichen Wirkung als von technischen Funktionen geprägt seien (Az.: T-395/14 und T-396/14). In seiner Begründung führte das EuG an, dass die Noppen, mit denen die Lego-Figuren mit anderen Lego-Elementen verbunden werden können, lediglich einzelne Elemente eines Gesamtdesigns seien, deren Gesamtwirkung jedoch nicht technischer Natur ist, sondern dazu dient, den Lego-Männchen “menschliche Züge zu verleihen”. Eine technische Wirkung lasse sich nicht daraus ableiten, dass das Lego-Männchen eine Person darstellt und dass es von einem Kind in einem spielerischen Rahmen verwendet werden kann.
Best-Lock kann den EuGH anrufen
Bereits 2010 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in Luxemburg den Markenschutz für den Lego-Baustein abgelehnt (EuGH Urteil vom 14.09.2010, Az. C-48/09), dem insoweit keine Markenqualität zugebilligt worden war. Als Begründung führte das höchste europäische Gericht an, dass sich die Form des Lego-Bausteins weitgehend aus der technischen Funktion ergebe. Insoweit besitze die dreidimensionale Wiedergabe des Lego-Spielbausteins in der Form eines Quaders keine Markenfähigkeit, da die bevorzugte Ausführungsform mit zwei symmetrischen Reihen und jeweils vier Noppen im Wesentlichen technisch bedingt sei.
Gewiss hat dieses Urteil des EuGH Best-Lock dazu veranlasst und ermutigt, gegen den Markenschutz des Lego-Männchens vorzugehen. Auch wenn Best-Lock im Streit um den Markenschutz des Lego-Männchens bislang unterlegen ist, so hat das Unternehmen nun die Möglichkeit, den EuGH anzurufen und das Lego-Urteil anzufechten. Doch das Unternehmen Lego kann sich nach der Entscheidung des EuG ziemlich sicher sein, dass der dauerhafte Markenschutz seiner Figuren bestehen bleibt. Insoweit verfügt Lego nunmehr über ein weiteres Instrument, um gegen Produktnachahmungen, sogenannte look-alikes, rechtlich vorzugehen.
Was bedeutet das Urteil zu den Lego-Männchen als Marke für die Praxis?
Möglicherweise hat das Lego-Urteil des EuG Auswirkungen auf zukünftige Markenrechtsstreitigkeiten auf europäischer Ebene. Die Grenzlinie ist hauchdünn und verläuft zwischen dem Schutz für technische Lösungen einerseits, die als Patent angemeldet werden können, und Formen ohne technische Wirkung, die zum Schutz des Designs als Marke eingetragen werden können. Diese Grenzlinie trennt die Unternehmen, die, wie das Unternehmen Lego, naturgemäß das Monopol ihrer Waren anstreben, von den Unternehmen, die, wie beispielsweise Best-Lock, sich als Wettbewerber die Freiheit nehmen, an die Erfolge anderer Unternehmen anzuknüpfen und kompatible Waren anzubieten. Wie schwierig sich die Abwehr von Nachahmungsprodukten mit den Mitteln des nationalen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gestaltet, hat Lego in der Vergangenheit in Bezug auf den Lego-Baustein bereits schmerzhaft erfahren müssen.
Auch wenn die Fragestellung, was als Marke schutzfähig ist, in diesem Fall „groß“ und weit weg aussieht – sie strahlt dennoch bis in den Alltagsgebrauch einer Marke hinein. Vielleicht möchten Sie nun prüfen, wie stark der aktuelle Schutz Ihrer Marken ist. Oder Sie wollen Ihre bisherige Strategie überdenken, wie Sie Ihr geistiges Eigentum sichern können. Ein sachkundiger Patentanwalt ist in jedem Fall der beste Gesprächspartner.
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Foto: Lego Family by the great 8 via Flickr, CC